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[   Band 1 Brief 141:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Sonnabend, 19. März 1791   ]


ich Deine süße Freude sein. Aber beides ist nicht der Fall. Das ge-
wöhnliche Geschäftsleben kann beinah jeder ausfüllen, das unge-
wöhnliche ist selten und ungewiß. Dagegen ist so gewiß und schön
das Glück, was wir allein genießen, der Segen, den wir über uns
und andre verbreiten!


142. Humboldt an Caroline   [Berlin], Sonntag, 20. März 1791

Ich führe so ein eignes Leben jetzt. Sehnend, hoffend, voll
der unaussprechlichsten Gefühle und immer so zerrissen
durch fremdartige Dinge. Dann die Besorgnis des Fertig-
werdens. Und wenn ich dann arbeite am Abend, in der stillen
Nacht, und einmal aufblicke aus dem Fenster und den Wagen
sehe, das süße Gestirn unsrer Liebe, dann füllt’s mich mit neuer
Kraft, dann bitte ich Augen, munter zu bleiben. Hätten sonst oft
für andere unwichtige Dinge gewacht, möchten nun für Li wachen,
daß Li nicht länger warten dürfte auf ihren Bill. So bist Du
mein ewig einziger Gedanke. Wie Du Dich in alles verwebst, wie
alles, was mir lieb ist, mir erst lieb wird durch den Anteil, den
ich Dir daran geben kann! Wie der stille Grund eines Baches
bleibt ewig der eine, eine Gedanke. Viel Wellen rauschen über ihn
hin, aber er bleibt, er trägt sie und er scheint ewig mitten durch sie
hindurch. Wenn ich es ausdrücken sollte, was mir das seligste
Gefühl Deiner Liebe ist, so wäre es diese ewige Nähe, diese un-
aussprechliche Gegenwart, daß ich nicht mehr begreife, was Ent-
fernung, Trennung ist unter uns, und auch getrennt wie jetzt, doch
ewig mir es ist, als umschwebte mich Deines Wesens liebliche Ge-
stalt. Dann fühl ich es so innig, daß ich Dein bin und Du mein,
und in dieses Gefühl hat doch die höchste Liebe ihrer unendlichen

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