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[   Band 1 Brief 125:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Sonntag abend, 6. Februar 1791   ]


fröhlich süßem Andenken. Nichts entzückt so mit der schönsten,
reinsten Wonne, als ein Rückblick in die Zeit, da man noch nicht
die erwiderten Gefühle sah, wenn man dann zurückschaut und sie
findet, wo man nicht sie gehofft hatte — da wallt es mit so heitrer
Freude über die Seele, daß man einander zugehörte, eh man es
ahndet. Aber ich kehre zur Nacht zurück. Gentz schlief tief, und
die Stille, die Einsamkeit, das Andenken unsrer Liebe, durch beide
mehr sich gegeben und ungestörter, gewährte mir eine der ent-
zückendsten Nächte. Oft stand ich auch auf und ging ans Fenster
und grüßte den Wagen. Li schläft, dacht ich dann, und träumt
vielleicht von ihrem Bill. Gegen sechs morgens schlich ich mich
in mein Haus und warf mich aufs Bett. Nach sieben ritt ich
nach dem neugekauften Gute meiner Mutter. Es war ein wunder-
schöner Tag, und die freie Luft, der Anblick der offenen Gegend
freute mich unendlich. Ich blieb bis spät am Abend draußen, und
wie auf eine schöne Vergangenheit blick ich jetzt zurück auf den
Tag und die wehmütig süße Nacht. Ach! die Nächte geben mir
so die süßesten Freuden. Nur in ihnen kann ich so ungeteilt der
Vergangenheit leben. Dir ist es wie mir. Ach! Li, laß sie uns
ganz uns eignen, diese Wonne der Wehmut. Gibt’s auch ein
andres Glück für uns in der lang getrennten Einsamkeit!

                                                          Montag
Du hast immer Fieber des Abends, Du armes, liebes Kind?
Brauchst auch keine Arznei. Welche würde Dir auch helfen?
Ach! liebes, teures Weib, laß uns zusammen leben ein nie ge-
trenntes Dasein, und Du wirst wieder aufblühen, wieder volles,
reges Leben empfinden. Mir ist nicht krank, aber doch seh ich nicht
gesund aus und bin magerer geworden. Manche Leute sagen, ich
schlafe nicht genug. Und mögen wohl recht haben. Aber darin
haben sie nicht recht, daß sie glauben, ich arbeitete des Nachts.
Das tut Bill nicht. Nein, aber ich kann nicht schlafen jetzt, eine

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