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[   Band 1 Brief 98:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Mittwoch, 24. November 1790   ]


denn ich dankte ja Dich dann Dir! und der Gott der Liebe wird
verzeihen, wenn ich der Hand der Liebe mit höherem Entzücken
meine einzige Seligkeit danke als der seinigen! —
. . Nur Du kannst es fassen, dieses Wogen der Seele von
den stolzesten zu demutvollsten, hingebendsten Gefühlen, nur Du
wie ich in wundersam ergreifendem Wechsel bald mich als den
Schöpfer Deines Glücks, bald Dich als die Erhalterin meines
Daseins, als die erbarmende Pflegerin meines treuen, in Liebe
Dir hingegebenen, aber Dich nicht verdienenden Wesens empfinde.
Muß ja in Dir sein dieser Wechsel wie in mir. Du fühlst, wie
allein Du mir jede Wonne gibst, die ich genieße, jede bessere Kraft,
mit der ich wohltätig wirke, jede glühende Begeisterung, mit der
ich durch den Schleier der Dinge hindurchblicke, wie mein Wesen
verginge ohne die einzige Möglichkeit meines Daseins, ohne Deine
erbarmende Liebe, Du einzig Gute?
. . O! Ein Wort von Dir kann so wohltätig auf andre
wirken. Li, ewig wirst Du ein Segen sein allen, die sich Dir nähern.
Und nie, nie denk ich den Gedanken aus, was ich durch Dich bin,
und ewig, ewig beschäftigt er meine Seele.

                                               Sonnabend abend 12 Uhr
Nun schläft meine süße Li schon. Ach! Bill konnte nicht
früher von der Arbeit loskommen und muß jetzt noch ein wenig
mit seinem lieben Mädchen reden. Könnte sonst nicht ruhig ein-
schlafen, und die Augen und alles übrige sagt: was das Herz will,
das tun wir. Dafür bleiben wir gern auf, und wird uns nicht
sauer. Herz hat uns ja Li verschafft. O! meine Lina, es ist mir
so ein innig süßer Gedanke, daß Du zuerst mich gern in Deine
Seele aufnahmst, weil ich gut und einfach und anspruchlos war.
In dieser Gestalt kann ich so kindlich vertrauend an Deinem Busen
ruhen, in dieser so dahingebend für Deine Liebe Dir danken; aber
was das meiste ist, diese Namen, wenn Dein Herz sie mir gibt,

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