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[   Band 1 Brief 81:    Humboldt an Caroline    [Berlin],  10. Oktober 1790, nachts nach 12 Uhr   ]


Liebe mußte es mir geben. Gerade mir. Dann fühl ich’s so schwer,
daß ich das eigentlich verdienen müßte, bis ich wieder so sanft in
der Empfindung ausruhe, daß Du ja nur Liebe forderst. Aber
das ist doch wahr, Li, laß es mir ja. Verdienen tu ich Dich nicht,
aber lieben, ach! lieben könnte Dich niemand so! Drum nimm mich,
Li, Du sollst auch recht glücklich sein. Bill will nur für Dich
leben, und so gut, so klug, so viel werden, alles für Li. Ja, und
so abgesondert von allen Menschen, nur Dich und mich, und Dich
und mich nur Dir und mir zu danken, das macht mich ja so selig,
das macht mir die Nächte so lieb, weil da nichts mich stört und
Du da auch am innigsten bei mir bist. Bist Du’s, Li? Bill ist
bei Dir, küßt nun gleich den Handschuh, sehnt sich, von Li zu
träumen, träumt nie von ihr, aber denkt immer an sie im Schlaf.
Denn so ist mir’s. Ich schlafe manchmal sehr gut, viele Stunden,
und wenn ich erwache, ist mir doch der Gedanke an Dich gar nicht
so, als wenn ich aufgehört hätte, ihn zu haben, und ihn nun wieder
behielte! Gute Nacht.

                                  Dienstag nachmittag, 12. Oktober
Ich saß heute wieder dem Maler, das Bild ist bald fertig.
Ähnlich scheint mir’s, aber es ist keine hübsche Ähnlichkeit. Das
Auge sieht so starr, der Mund ist so bös. Es ist kein Charakter
im Ganzen. So scheint mir’s. Vielleicht irre ich mich. Auf alle
Fälle schick ich Dir’s. Sieh zu, ob Du’s tragen magst. Siehst
doch das Haar daran und den Oberrock, an dem Du oft ruhtest,
und das Hemde mit Deinen Manschetten. Es gibt jetzt weder
einen bessern Zeichner noch Maler hier. Größer in Pastell wohl,
aber in Miniatur nicht. Sobald einer kommt, sollst Du ein besseres
Bild haben. Ganz geb ich dem Maler nicht schuld. Er klagt
alle Tage über mich. Bald seh ich zu ernst, bald mißmutig aus.
Bald sind die Augen zu starr, bald zu matt, mag wohl sein. Mein
Gesicht, vorzüglich mein Auge, ist so wechselnd. Jetzt müßte er mich

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