< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 1 Brief 52:    Humboldt an Caroline    [Berlin oder Tegel], 24. Mai 1790   ]


schon im Geiste immer wieder die unausstehliche Marthe auf sie
zukommen. So periodisch wechselt sich das ab. Dein Lied, meine
Ruh ist hin, weiß ich auswendig. O! es ist mir wie aus der
Seele gesprochen. . . . .
Du schriebst mir neulich von einem Gedicht von Caroline. Ich
habe noch nichts von ihr gesehen. Wenn sie mir doch einmal etwas
schicken wollte. Ich schrieb ihr schon lang nicht, aber mir ist’s
immer, als schrieb ich ihr mit, wenn ich Dir schreibe. Du schickst
ihr doch manchmal meine Briefe? Ich danke ihr so viel, ich wollte,
daß sie manchmal sähe, wie glücklich ich bin. Es würde die gute
Seele freuen. . . . .


53. Humboldt an Caroline                       [Berlin], den 8. Juni 1790

Nie, nie, seitdem ich weiß, daß ich Dein bin, hab ich mehr
einen Augenblick nur an Deiner unendlichen Liebe ge-
zweifelt, und Liebe gibt Glück. Allein oft war ich dennoch
besorgt. Du wirst mich dann immer, immer in jedem Verhältnis
sehen, jetzt sahst Du mich in so wenigen, und wenn ich Dir nicht
erschiene, wie es einer Liebe, wie die Deine, wert ist, wenn Du mich
nur einen Augenblick so sähest, dann wäre es schon verschwunden,
das schöne Bild des gehofften Glücks. Nicht, als wollt ich Täuschung
in Dir nähren, nicht, als solltest Du mich nicht immer sehen wie
ich bin. Nein! die Schwächen, die ich jetzt oft an mir fühle, wirst
Du sehen, wirst finden, wie sie mit allem übrigen, was Dir lieb
ist in mir, eng verbunden sind, und dann wirst Du mich tragen.
Aber wenn ein Augenblick käme, wo Du mich nicht verständest,
mich nicht eins fändest mit mir, nicht konsequent in meinen Ge-
fühlen, dann wäre Dein Glück gestört. Das fürchtete ich sonst

                                                                       151