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[   Band 1 Brief 50:    Humboldt an Caroline    [Berlin], den 18. Mai 1790   ]


fürchtete ich doch, sie könnte ihm unangenehm sein, und so arbeite
ich denn wirklich jetzt daran, einen zu bekommen. Aber ein anderer
als Legationsrat ist nicht zu erhalten. Doch der schlägt mir wahr-
scheinlich nicht fehl. Ich bin vorgestern früh deswegen bei Herzberg *)
gewesen, und er hat mir gesagt, nun deswegen an den König zu
schreiben. Das tu ich wahrscheinlich noch heute, und so, hoffe ich,
soll’s mir nicht fehlschlagen. Wenn Du’s aber nicht für nötig
hältst, so sprich noch nicht mit Deinem Vater davon, da die Sache
noch ungewiß ist. Wirklich ist als Referendarius zu heiraten frei-
lich unerhört, aber selbst das strengste Vorurteil hat nichts dawider.
Das sah ich an der Hagen, die außerordentlich an allem hängt,
was sich auf Rang und Stand bezieht. Sie findet nicht einmal etwas
Auffallendes darin. Noch gestern hat sie mich versichert, »sobald
man nur von guter Familie wäre«. Voilà un mot de consolation
pour Papa! So wird ja auch diese Schwierigkeit sich heben. —
Und dann, meine Lina, dann beginnt unser stilles, einsames,
glückliches Leben! Ich bin sonst so selten gewohnt, mit meinen
Träumen in der Zukunft zu weilen. Ich hielt mich so gern an der
Erinnerung fest und vermied es, ungewissem Hoffen zu trauen.
Aber in dieser Zukunft ruht meine Phantasie unaufhörlich. Du
erst hast sie mir gegeben, diese Zuversicht des Erwartens. Du erst
hast jede bange Sorge, jeden ängstlichen Zweifel an künftigem
Glück zerstört. Nie, in den kühnsten Aufflügen meines sehnenden
Herzens, träumt ich mir eine Seligkeit wie die, welche jetzt mir
schon so nah ist. Wir werden nun unzertrennlich miteinander leben,
miteinander werden sich nun alle unsere Ideen, unsere Empfindungen
entwickeln, jeder Tag wird uns inniger ineinander verschlingen.
Ich fühle es so lebhaft vorher, wie erst das mich gut und stark
und groß machen wird, dies ewige ungestörte Anschauen Deiner
unendlichen Güte, der Feinheit, der Grazie Deiner Seele! Wir

———
*) Siehe S. 114.

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