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[   Band 1 Brief 34:    Humboldt an Caroline    [Berlin], 23. März 1790   ]


aber das Süße und noch mehr den Wert, der in beidem liegt, kennt,
und nun nach beidem so in guter Unschuld strebt, ohne zu bedenken,
daß dies Streben ewig umsonst ist. Dem allen ungeachtet besitzt sie
aber doch eine Herzensgüte, eine Liebenswürdigkeit, eine Naivität
und eine Anhänglichkeit, die immer jeden an sie anziehen wird.
Lebe nun wohl, gute, liebe Seele. Ich bin sehr begierig auf
Deine nächsten Briefe, Deine Äußerungen über unsre Pläne, Deine
Hoffnungen. O! Lina, mein Herz liebt Dich so unendlich, ewig
würdest Du genießen, alles, was es zu geben vermag. Du würdest
glücklich sein, und ich? — ach! ich träumte mir nie das Glück,
geliebt zu werden, und nun zu besitzen, die mich, die ich so namen-
los liebe!


35. Humboldt an Caroline                               [Berlin], März 1790

Noch ein Wort über Caroline, meine Lina! Ich gesteh Dir,
ich verstehe sie nicht ganz, und darum warte ich gern
einen Brief von ihr ab, ehe ich ihr schreibe. Die Art
von Umänderung ihrer Gefühle in ihr *), und die so schnell vorge-
gangen ist, war mir nicht unerwartet — ich sprach Dir, dünkt mich,
schon einmal davon — ich kann auch nicht sagen, daß sie mir
weniger Achtung für das liebe Weib eingeflößt hätte. Ich glaube
zu fühlen, woher sie in ihr entsteht. Ihr Wesen hat so viele und
wechselnde Gestalten, nimmt so viele und so schnell an, alles dringt
so wie ein Blitz in sie ein und stellt sich ebenso augenblicklich
wieder dar. Ich kann’s nicht deutlich machen, aber es ist mir, als
könnte dabei nichts bleibend haften.
Darum, Lina, sagte ich Dir immer, daß Caroline mir nicht
genügen würde; es liegt vielleicht in dieser Seeleneigenheit etwas

———
*) Caroline v. Beulwitz schwärmte nun für den Koadjutor Dalberg.

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