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[   Band 1 Brief 20:    Humboldt an Caroline    [Berlin, zwischen dem 15. und 29. Januar 1790]   ]


geben! Bei allen wahrhaft großen Weibern ist das so stark. Bei
Dir, der Forster, Caroline. Aber von allen am schönsten in Dir.
Caroline empfängt es für mich zu schnell und stellt es zu schnell
dar, oft sogar durch Worte, da ist schon etwas Fremdes. In der
Forster ist ein äußerst unbemerkbarer Ausdruck, der ein sehr ge-
übtes Auge fordert. In Dir sieht man ganz, wie Du’s empfängst,
wie Du Dich darin verlierst. Das Schöne, was Deine Seele füllt,
wird eins mit Dir. Man sieht Dich nun in jenem! . . . .
Über Caroline und Schiller denke ich leider wie Du. Die Un-
erklärbarkeit in Schiller sagt ich Dir auch schon. Aber laß uns
auch billig sein. In der Empfindung schneidet sich’s nicht durch
»entweder, oder« ab. Hätte er gar nicht Carolinens Liebe gefühlt,
so hätte er Lotte ebensowenig genommen, als wenn er sie ganz ge-
fühlt hätte. Aber wie, wenn er anfangs nur Neigung fühlte, Wunsch,
sich nah zu bleiben, Freundschaft, wenn er nun Lottes Heirat nicht
als Mittel, aber jenes als Mitvorteil bei der Heirat ansah, wenn
selbst das, ihm selbst unbewußt, Lotte mehr Wert bei ihm gab,
wenn er — er hat gewiß wenig Weiberkenntnis — Lotte für mehr
hielt, oder von einer Frau weniger forderte. Wenn man gar nicht
liebt, läßt sich mit jedem Weibe erträglich leben, wenn man liebt,
ach! mit wem dann? — Nein, Schiller ist jugendlich, unerfahren,
hat gefehlt und wird zu hart büßen, weil er die, an der seine ganze
Seele hängt, nicht glücklich sehen wird. Aber er konnte nie Lotte
bloß als Mittel ansehen, er ist zu delikat, zu edel dazu.
Lebe wohl, meine Lina! O! schreib mir oft. Was gibt mir
noch Freude, als Du! O, in Dir allein werd ich ewig alle, alle
finden! Leb wohl!

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