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[   Band 1 Brief 14:    Humboldt an Caroline    Holzmünden, 18. Juli 1789   ]


werde nun Orter sehen und Gegenden und Menschen, werde
sprechen, hören, schreiben, mich herumdrehen in ewig neuen,
wechselnden Kreisen, und so wird mein ganzes Leben sein, ein
unaufhörliches Wirken und Entwirren, Suchen, Finden und wieder
Suchen, und was das Ende! — Wenn es nicht das Glück irgend
eines menschlichen Wesens ist, wessen es sei, aber das reine
dauernde, volle Glück, so ist verloren die Zeit, verloren das Ringen
nach Ruhe und Glückseligkeit. Aber wenn es das ist, dann werd
ich vergessen, was in mir und um mich ist, vergessen, was mir
fehlt und was mich drückt, glücklich sein, weil ich nicht in mir
sein werde, selig wie ein segnender Gott, wenngleich entbehrend
wie der dürftigste Sterbliche.
Lebt wohl! O! ich möchte Euch danken für das, was Ihr in
diesen Tagen mir gabt. Wie man von solchen Stunden so lange
leben, lange genießen kann. Wenn nicht der Gedanke: Du hast
es, unentreißbar, unverlierbar, so stark, so füllend und erhebend in
mir wäre, wie würde mich da die Möglichkeit schrecken: Vielleicht
genießest Du es nie wieder. Aber so schreckt es mich nicht. Ich
bin so glücklich, so ruhig, so gehoben. Aber welche Sprache drückt
das aus. Lebt wohl!                                W.


15. Humboldt an die Verbündeten, insbesondere an
Caroline v. Beulwitz          Paris, 4. August 1789

Erwartet keinen eigentlichen Brief von mir, Ihr Lieben,
solang ich in diesem Wirbel von Gegenständen lebe.
Seit mehr als 14 Tagen nehme ich mir täglich vor, Euch
zu schreiben, einmal hatte ich schon einen halben Brief fertig, aber
ich fühlte, daß ich nicht recht gestimmt war, und zerriß das Blatt


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